Liebe |-r Yogafan,
Hast du die Sommersonnwende am 21. Juni ein bisschen gefeiert? Der Tag, an dem das Licht am längsten da war? Licht ist in vielen Kulturen ein Symbol für die Erkenntnisfähigkeit in uns Menschen, für unser Potenzial zur inneren Reifung und Entwicklung. So, wie es auch der Yogaweg für uns eröffnen möchte.
Für die Zeit der Yoga-Sommerpause würde ich dir gerne einige Gedanken zum Thema “Frieden“ mitgeben, das uns in den Yogastunden schon einige Wochen begleitet hat.
Es sind - wie meistens - keine neuen, nie zuvor gedachten Gedanken J (ich weiss gar nicht, ob es die noch gibt bei dem Vielen was in Jahrtausenden gedacht wurde). Es sind MEINE Gedanken zum Thema und vielleicht regen sie dich an, dir DEINE ganz eigenen zu machen.
Basierend darauf, wie ich die Yoga-Philosophie verstehe, gehe ich davon aus, dass Frieden als Grundzustand in unserem Sein angelegt ist. Wohl jeder Mensch hat Frieden auf irgendeine Weise schon erlebt. Frieden ist für uns also kein Gedanke oder Konzept, sondern eine Art Gefühlserfahrung. Ein Zustand, in dem wir uns mal mehr, mal weniger befinden.
Unsere persönliche Befindlichkeit, ist immer in Bewegung. Mal fröhlich, mal nachdenklich, mal wütend, mal traurig... du kennst das. Wir sind Wesen, die zu vielerlei Arten von Emotionen fähig sind. Wir erfahren sie alle. Oft nicht ganz freiwillig. Einige lehnen wir ab, von anderen hätten wir gerne mehr. Nicht immer wissen wir, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Ich glaube, das zu lernen, ist ein wichtiger Teil unserer Erfahrung als Mensch, durch den wir wachsen und reifen.
Nun gibt es bestimmte Emotionen, derer wir uns zutiefst schämen, oder glauben, uns ihretwegen schämen zu müssen. Wir befürchten, wir wären als ganze Wesen weniger wert oder gar wertlos, weil wir sie in uns tragen. Wir teilen sie oft mit niemandem und drücken innerlich fest die Augen zu, um sie nicht einmal selbst sehen, sprich fühlen zu müssen. Das verursacht eine grosse Spannung in uns. Die ungeliebten Emotionen warten gestaut in unserem Inneren, bis sie endlich dran sind gefühlt zu werden, damit sie auch wieder vergehen können. So, wie alle Emotionen es tun. Sie kommen, sind eine Weile präsent und vergehen wieder. Sicher gibt es auch innere Gefühlszustände, die wir alleine kaum halten können, da sie aus ganz alten Verletzungen stammen. Da brauchen wir vielleicht Unterstützung, um sie ins Fliessen gehen zu lassen.
Bleiben wir aber bei jenen Emotionen, die wir selbst bewältigen können.
Die Überzeugung, dass bestimmte Zustände in uns auf keinen Fall sein dürfen, erlebe ich als eine starke und häufige Quelle von innerem Unfrieden. Es fällt uns schwer, uns die «bösen» Gefühle zu verzeihen und Mitgefühl und Verständnis für uns selbst zu entwickeln. Häufig entwerten wir uns selbst, weil wir nicht immer so liebevoll, mutig, konsequent, grossherzig...(füge gerne weitere Adjektive hinzu, die DU gerne mehr wärst) sind, wie wir uns das wünschen. Geht es dir manchmal auch so?
Gleichzeitig wissen wir aber, dass es Frieden in uns gibt und kennen die Ruhe und die Kraft, die in diesem Zustand liegt. Wir geniessen die Momente der Gelassenheit, wo wir alles nicht so schwer nehmen. Jene Momente, wo wir uns und andere in ihrer ganzen Unvollkommenheit, ihrem ganzen “Nicht-perfekt-sein“ annehmen und wertschätzen können. Dann lächeln wir vielleicht und fragen uns, wie es möglich ist, das immer wieder zu vergessen.
Ich denke, dass wir dann gerade in einem feineren Bewusstseinszustand sind, mit viel mehr Überblick. Von hier aus, ist es nicht überraschend, dass wir in unserem menschlichen Dasein, mit unserer Geschichte und unseren Lernprozessen unmöglich immer in edlen, erhabenen und liebevollen Gefühlen sein können – und dass das schon gar nicht die Bedingung dafür ist, liebenswert zu sein! Es ist ok, dass wir uns oft fehlbar, missverstanden, verunsichert oder ohnmächtig fühlen. Es ist Teil unseres Menschseins. Es darf sein...
Und dann stellt sich Frieden ein. Stille. Einverstanden-sein damit, wie/was wir gerade sind. Etwas in uns atmet auf... vielleicht kennst du dieses Gefühl.
Leider verlieren wir diesen Überblick in den Strudeln des äusseren und inneren Lebens immer wieder.
Es gibt aber sicher einige Hilfsmittel, mit denen wir uns unserem inneren Frieden leichter annähern können. Nennen wir sie mal «Pforten zur Quelle des inneren Friedens».
Ich habe versucht, dir eine kleine Auswahl dieser «Hilfsmittel» zusammen zu stellen.
Einige der Vorschläge führen über einen äusseren Fokus. Wir richten unsere Achtsamkeit auf Dinge um uns, die wir mit Frieden verbinden, die uns beruhigen, ausgleichen und erfreuen, wie zum Beispiel: Natur, Bewegung, bewusstes Atmen, Musik, Begegnungen mit Menschen oder Tieren usw. Dadurch fällt der Kontakt mit dem eigenen inneren Frieden oft leichter. Es sind eine Art Brücken, die wir uns selbst bewusst bauen.
Andere Vorschläge wiederum regen zur Innenschau an. Zur bewussten Beschäftigung mit ungeliebten Gefühlen oder dem inneren (Über-)Kritiker. Dabei nähern wir uns dem innerem Frieden über das Mitgefühl mit uns selbst. Über die Versöhnung mit unserer eigenen «Unperfektheit» oder die Dankbarkeit für das, was gerade an Positivem da ist.
Ich musste bei dieser kleinen Liste aber auch erkennen, dass das Thema unglaublich vielschichtig ist. So dass du deine Pforten sicherlich selbst finden musst und wirst, da sie für jeden Menschen anders sind. Dabei wünsche ich dir viel Forschergeist und Leichtigkeit, falls du Lust hast, es zu versuchen.
Ich wünsche dir aber auch einen wunderschönen, unbeschwerten Sommer, mit vielen Gelegenheiten, deinen inneren Frieden vielleicht ganz spontan fühlen zu können und es dann bewusst zu geniessen.
Wir sehen uns im August wieder. Ich danke dir für dein Kommen, deine Offenheit, dein Mitweben an der Stimmung, die unsere Yogaschule zu einem besonderen und einzigartigen Ort macht.
Herzlichst
Claudia