Hallo Ihr Lieben
Für einmal schreibe ich keine «Lobhymne an den Frühling" - obwohl er auch in diesem Jahr genauso schön, stärkend und stimmungsaufhellend ist wie immer.
Dies ist bereits etwa Version 04 dieses Frühlingsbriefes. Alles verändert sich grade so schnell, dass die anderen einfach nicht mehr aktuell waren.
Es ist gerade eine wirklich verrückte Zeit und unsere Gesellschaft steht Kopf. Auch wenn viele sich bemühen, nicht panisch zu reagieren, ist die Angst und Verunsicherung deutlich wahrzunehmen und allgegenwärtig.
Es spielt dabei keine Rolle ob ich persönlich grade ängstlich bin oder nicht, und auch nicht, welche Meinung ich zu den Themen habe, die uns zur Zeit alle massiv betreffen. Berührt davon werde ich ohnehin und ungefragt.
Mir scheint, das ist oft so im Leben. Es geschieht etwas im Aussen und wir können uns nicht aussuchen ob wir Teil davon sein wollen oder nicht – wir sind es einfach, weil wir zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Umfeld leben.
In den Momenten, wo wir den Einfluss auf die äusseren Ereignisse verlieren, ist es besonders hilfreich, unseren inneren Spielraum zu wahren.
Doch wie erschliessen wir uns diesen? Wie gelangen wir in einen «Raum» in uns, wo wir noch eine Wahl haben, welche Gefühle und Gedanken uns gerade umtreiben und in welcher Intensität sie dies tun.
Unter normalen Umständen haben wir selbst in der Hand, wie wir uns innerlich zu einer bestimmten Sache stellen und wie wir auf Grund dessen nach Aussen handeln.
Unter normalen Umständen haben wir bis zu einem gewissen Grad auch in der Hand, welchen Gefühlen und Gedanken wir viel Raum geben und welchen wenig.
Im Moment werden wir aber überrumpelt von den Ereignissen, verunsichert von fremden Meinungen, hin und hergerissen zwischen verschiedenen Informationen und vereinnahmt von Gefühlen und Gedanken, die wir vielleicht schwer ordnen können.
Wie soll es da möglich sein einen «inneren Spielraum» zu schaffen und zu nutzen.
Ich glaube, was wir als erstes tun könnten ist, verlangsamen.
Für eine Weile keine neuen Infos mehr sammeln und keine fremden Ansichten mehr einholen. Wir können versuchen einen Ruhepol für den Geist zu schaffen und uns Zeit nehmen ins eigene Herz zu spüren. Dort ist es vielleicht möglich wahrzunehmen, welches wirklich unsere Gefühle, Ansichten, Ängste etc. sind und welche von aussen kommen.
Solange wir uns von Innen oder Aussen getrieben fühlen, haben wir nicht die nötige Gelassenheit und Ruhe, um klare Gedanken zu fassen und ein tieferes Gespür für eine Situation zu erlangen.
Als zweites könnten wir den Fokus für eine Weile verlagern. Sprich, etwas ganz anderes tun.
Etwas, das ein wenig Abstand schafft zu den drängenden Themen. Etwas, das uns gleichzeitig beruhigt und in eine spürbare Verbindung mit uns Selbst bringt.
Wenn das gelingt, sieht nach meiner Erfahrung vieles anders aus. Meine Gedanken fliessen dann geordnet und purzeln nicht mehr alle durcheinander. In meiner Gefühlswelt wird es überschaubarer, gelassener und ausgeglichener. Und noch etwas Interessantes passiert: Ich spüre, dass dieser Zustand viel weniger Energie/Lebenskraft verbraucht als der aufgewühlte, unruhige oder verwirrte Zustand. Gefühle wie Zuversicht, Vertrauen, Freude oder Heiterkeit stellen sich viel leichter ein.
Obwohl sich an der äusseren Situation noch nichts geändert hat, wird alles ein bisschen leichter. Die lauten Stimmen der aufgewühlten Seiten in mir werden leiser und ich kann die Lage von einem ruhigeren inneren Ort aus einschätzen. Es wird einfacher zu entscheiden, welche Themen ich sehr ernst nehmen will und welche nicht. Ich kann besser spüren, was mir wichtig ist und wie ich mich nach aussen hin verhalten möchte. Das ist für mich ein sehr wertvoller Zustand, den ich immer wieder aktiv suche.
Vielleicht hast du in deinem Leben bereits gute «Aktivitäten» gefunden, die dir Abstand zu drängenden Themen geben und dich gleichzeitig näher zu dir bringen.
Da ich ja aber Yogalehrerin bin (und Lehrer immer etwas lehrreiches beitragen wollen.. grins), habe ich dir heute den Vorschlag für eine Mini-Meditation aufgeschrieben. Du kennst einige Elemente daraus sicher schon aus den Yogastunden. Sich aber einmal «eigenverantworlich» hinzusetzen und sie in Ruhe durchzugehen, ist eine andere Erfahrung. Vielleicht hast du Lust, es auszuprobieren.
1. Setze dich bequem hin. Spüre den Halt, den dir deine Sitzunterlage und der Boden gibt. Spüre die Sicherheit und Geborgenheit, die dir der Raum gibt, in dem du meditierst.
2. Spüre deinen Körper. Wo fühlt er sich locker, leicht, weit oder stabil an? Wo braucht er heute mehr Fürsorge? (Nur spüren – keine innere «Diskussion» darüber)
3. Nimm deine momentanen Gefühle wahr (was fühle ich im Moment - nur fühlen, nichts weiter). Vielleicht erhaschst du auch den einen oder anderen Gedanken, der dir durch den Kopf geht.
4. Versuche, innerlich eine liebevolle, freundliche und akzeptierende Aufmerksamkeit auf all das zu richten, was du wahrnimmst.
5. Richte deine Aufmerksamkeit auf dein fühlendes Herz (nicht das physische Herz). Mach innerlich einen bewussten Schritt zurück von allen Äusseren Themen und rufe dir ins Bewusstsein, dass folgende Dinge ebenso Teil der Realität sind. Erinnere dich an diese Dinge so klar wie möglich, mit all deinen Sinnen. Verweile darin.
Die warmen Sonnenstrahlen auf deiner Haut.
Die bunten Blüten und Blumen, die sich gerade überall öffnen und leuchten.
Der Duft der frischen, klaren Luft am Morgen.
Das Zwitschern der Vögel in der Frühe.
Die Liebe, die du empfindest für deine nächsten Menschen und Tiere.
Die Liebe, die du empfängst von deinen liebsten Menschen und Tieren.
Das Gefühl in deinem Herzen wenn du lächelst.
6. Bleibe für eine Weile in dieser Visualisation. Du bildest sie dir nicht ein. Es sind keine Kreationen deiner Phantasie. Das alles ist fester Bestandteil der Realität.
7. Wenn die Erinnerungen verblassen oder deine Aufmerksamkeit sich zu zerstreuen beginnt, dann lass die Übung los, kehre zurück zum Körper und nimm wahr welches innere «Klima» sie hinterlässt. Lächle :-)
Ich freue mich - trotz allem - sehr auf das neue Yogaquartal! Es wird zweifellos beginnen. Dann, wenn es wieder Raum dafür gibt.
mit ganz herzlichen Grüssen
Claudia